David P. Goldman ("Spengler"), Teil 2: Demographie und erster Blick auf China
von Sebastian Edinger
Goldmans Buch It’s Not the End of the World, It’s Just the End of You: The Great Extinction of the Nations enthält mehrere Aufsätze, die ökonomische Probleme demographisch informiert beleuchten und sich dadurch von mathematischen Ansätzen, die Goldman als Ex-Wall-Street-Banker versteht und als obskurantistisches Theater verspottet, in der grundsätzlichen Orientierung unterscheidet. Ohne Umschweife faßt Goldman Wirtschaft als monetäre Seite der demographischen Realität, die auch als Generationenverhältnis bekannt ist: „There is nothing complicated about finance. It is based on old people lending money to young people. Young people invest in homes and businesses; aging people save to acquire assets on which to retire.“ (Goldman 2011: 91) Die Intaktheit des Generationenverhältnisses ist fundamentaler für das ökonomische Geschehen als alle politischen Entscheidungen und jede Mathematik: „All the armamentarium of modern capital markets boils down to investing in a new generation so that they will provide for us when we are old.“ (Ebd.: 322) Noch kürzer gefaßt aus der Perspektive der Älteren: „Our children are our wealth.“ (Ebd:: 325) Der Leser hat es nun von jemandem gehört, der an der Wall Street erfolgreich war, aber im Unterschied zu denjenigen, die er (selber Columbia-Absolvent) als „inbred products of the Ivy League puppy mills“ (ebd.: 296) und „one-trick wizards“ (ebd.: 295) ansieht und deren mathematisch überfrachteten Modelle er als „academic theurgy […] packaged into seemingly complex mathematical models that occult their ridiculous assumptions“ (ebd.: 309) bezeichnet, über die Ökonomie im engeren Sinne hinauszuschauen vermag.
Über die Wirtschaftskrise von 2008 sagt Goldman: „The origin of the crisis is demographic, and its solution can only be demographic.“ (Ebd.: 329) War die Krise nicht maßgeblich durch durch Blasen auf dem Immobilienmarkt verursacht und hat überhaupt, als offensichtlich rein ökonomisches Phänomen, nichts mit Demographie zu tun? Goldman gibt dazu zu bedenken: „It is no accident that the housing market – the economic sector most sensitive to population – was the epicenter of the economic crisis.“ (Ebd.: 324) Hier wird keine simple kausale Verschiebung vollzogen, denn daß „[u]nregulated derivatives decoupled the real world of banking from the imagined one of monetary policy“ (ebd.: 310), wird von Goldman nicht bestritten, sondern zu den Auswirkungen demographischer Entwicklungen auf den Immobilienmarkt in Beziehung gesetzt. Sowohl die Veränderung des numerischen Verhältnisses zwischen Altersgruppen (Personen im Alter zwischen 25 und 50 kamen in der Mitte der 1990er eineinhalb mal so zahlreich vor wie Personen im Alter zwischen 50 und 65) als auch veränderte Lebensentscheidungen, wie sie sich im Rückgang der Eheschließungen und der Ausbreitung des Single-Daseins zeigen, wirkten auf den Immobilienmarkt ein, dessen finanzpolitischer Rahmen nicht auf diese Veränderungen eingestellt oder zugeschnitten war: „By 1981, when Ronald Reagan took office, two-parent households had fallen to just over two-fifths of the of the total. Today, less than a third of American households constitute a two-parent nuclear family with children. Housing prices are collapsing in part because single-person households are replacing families with children.“ (Ebd.: 326 f.) Was sie damit auch ersetzen, ist Zukunft durch Armut, denn die Alten können die Rolle der Jungen nicht übernehmen. Wird ökonomisch veranschlagt, was sich nicht durch die Druckerpresse, sondern nur durch Agilität und Tatendrang zukunftsbejahender Individuen geleistet werden kann, die das Generationenverhältnis fortsetzen wollen und hohe Ambitionen realisieren wollen, gerät man in die Situation, ungedeckte Schecks auszustellen, wo man versucht, durch Kniffe und auf Umwegen das Unersetzbare zu ersetzen. Eine offene Wirtschaft kann nicht umgehen, was in einer geschlossenen früher auftreten würde, sie kann es nur verzögern: „Why did it take until 2007 for home prices to collapse? If America were a closed economy, the housing market would have crashed years ago.“ (Ebd.: 327) Umgekehrt ist reales Wachstum in der demographischen Perspektive unter den Bedingungen, die um 2010 herum auch in den USA sich eingestellt haben, nicht möglich: „The trouble is not that aging baby boomers need to save. The problem is that families with children who need to spend never were formed in sufficient numbers to sustain growth.“ (Ebd.: 329) Noch drastischer: „No economic recovery will ever occur until governments bury, once and for all, the Keynesian concept of aggregate-demand management and instead take measures to revive incentives to rebuild risk-capital financing by mobilizing the country’s entrepreneurial talent.“ (Ebd.: 309) Eine prinzipielle Lösung ist möglich und so einfach angebbar, wie sie schwierig erreichbar ist: Mehr Kinder, starke kommende Generationen.
Im oben angeführten Zitat sagt Goldman ausdrücklich, daß die Lösung der Krise nur demographischer Art sein könne, da die Ursache wesentlich demographischer Art ist. Damit stellt sich eine Frage, die in Deutschland nur wenige zu verstehen scheinen: Was ist eine Generation? Eine Generation ist fundamental keine Alterskohorte und auch nicht aus einer solchen formbar. Der Generationenprozeß findet dort seine Fortsetzung, wo alle Mitglieder einer Familie über die selbe Muttersprache verfügen, die zudem die jeweilige Landessprache ist; eine Fortsetzung kann auch da stattfinden, wo die Eltern eine Muttersprache teilen, die nicht die Landessprache ist, aber mit größter Sorgfalt darauf achten, daß das Kind die Landessprache, die sie selber wenigstens gut beherrschen (und zwar nach Ansprüchen aus den 1960ern, nicht nach Abi-für-Alle-Ansprüchen), von klein auf lernt. Ansonsten stehen die Chancen bestens, Kinder in die Welt zu setzen, die zu den 23,8% gehören (prospektiv: den Anteil derjenigen in die Höhe treiben), deren Beherrschung elementarer Kulturtechniken wie Lesen und Schreiben nicht ausreicht, um den Übergang von der Grundschule zur Sekundarstufe I zu bewältigen (siehe S. 67 hier: https://www.cesifo.org/DocDL/cesifo1_wp10029.pdf) Goldman sagt auf andere Weise das gleiche: „Our prospects are diminished not only be the absolute count of children, to be sure, but also by the shrinking proportion of children raised with the moral and material advantages of two-parent families.“ (Goldman 2011: 325) Mit der Bevorzugung eines klassischen höhere Mittel- und Oberschichtenmodells oder gar, womit beide mittlerweile von recht Minderbemittelten gerne gleichsetzt werden, nämlich mit White Supremacy, hat das nichts zu tun, aber umso mehr damit, nicht an den Weihnachtsmann glauben, d.h. nicht daran zu glauben, die Schule könne kompensieren, was nicht nur „im Elternhaus“, sondern in Partnerwahl und Familienformation, sofern überhaupt eine stattfindet, vermurkst worden ist. Ein Hinweis für Deutsche in eigener Sache, von dessen Verstehen und Beherzigung abhängt, ob es überhaupt ein weiteres Deutschland wird geben können: Alterskohorten werden kein Ersatz für Generationen sein können, verliehene Pässe integrieren niemanden in den Generationenprozeß. Wer das nicht versteht, dem muß man auch bei sonst nichts zuhören. Man kann es – das ist meine entschiedene These – behaupten und das Behaupten auch gesetzlich verordnen, aber die Natur wird solche Luftschlösser trotzdem gnadenlos pulverisieren.
Der Fall China
Ein Land, in dem man dies versteht, ist China, weshalb man dort nicht über Migration, sondern über die große Verjüngung der chinesischen Nation (Great Rejuvenation of the Chinese Nation) spricht. Bevor wir hier ins Detail gehen können, sind Goldmans ältere Bemerkungen über China und die Religiosität in China in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen. Zunächst hat China sich nicht als religiöses Land im westlichen Sinne zum bis vor kurzem bevölkerungsreichsten Land des Planeten entwickelt. Zudem deutet wenig darauf hin, daß Goldmans Prognose in It’s Not the End of the World, It’s Just the End of You, wonach das Christentum „may flounder in Europa but find a new fulcrum in the global South, particularly, Africa, and in China“ (ebd.: 243), jedenfalls für China zutreffe. Roger Garside behandelt im fünften Kapitel seines eine prognostisch spektakulär verfehlte Prophezeiung enthaltenden Buches China Coup. The Great Leap to Freedom (Xi Jinping wurde 2022 nicht abgesetzt, wie Garside darin prophezeite), betitelt „Who Rules: God or the Party?“, ausführlich die Rolle des Christentums in China, das einerseits eine Weile regen Zuwachs genoß, nun aber, da niemand über der Partei stehen darf, im Visier derselben ist und durch massive Drangsalierungen und Verfolgungen unterdrückt wird. Garside spricht von einer „strategy of progressive strangulation and suffocation“ (Garside 2021: 87), die Zahlen sind erschreckend: „In 2018, more than one million people were persecuted, compared to 4,322 in 2011. Of those persecuted, more than ten thousand were church leaders.“ (Ebd.: 86) Eine Christianisierung Chinas wird unter solchen Bedingungen weder kurz- noch mittelfristig möglich sein und war auch nicht nötig, um die chinesische Bevölkerungsexplosion zu ermöglichen.
Daß das Christentum überhaupt in China zeitweilig Fuß fassen konnte, hat Garside zufolge moralische Gründe; es stellt eine sinnstiftende Antwort auf eine moralische Angeschlagenheit der chinesischen Gesellschaft dar: „In a country that has lost its moral compass, Christianity offers values centered on love and service to others.“ (Ebd.: 75) Die These, daß China seinen moralischen Kompaß verloren hätte, wird mittlerweile so regelmäßig formuliert, daß man fast durch Würfeln ermitteln kann, welche Quellen man nennen will. Besonders eindrucksvoll wird die moralische Aushöhlung von Moralphilosophen wie Jiwei Ci (empfohlen seien hier Democracy in China. The Coming Crisis, 2019, und Moral China in the Age of Reform, 2014) und He Huaihong (Social Ethics in a Changing China. Moral Decay or Ethical Awakening?, 2015) dargestellt und diskutiert. Demographisch bildet das Problem sich in einer Art und Weise ab, die durchaus kompatibel mit Goldmans Ausführungen über die Glaubens- und Kulturgebundenheit genuin menschlichen Lebens und seinen in Erklärungen eingebundenen Invektiven gegen Hedonismus und Nihilismus sind. Die folgende Graphik verdeutlicht, wie schwierig die Lage ist:
So richtig Fahrt hat das Social Credit Point System in China durch eine Reihe koordinativer Initiativen und einer starken Ausweitung und Verdichtung im Jahr 2017 aufgenommen, der Anstieg der Christenverfolgungen 2018 vervollständigt das Bild einer rapide intensivierten staatlichen Kontrolle. Es mag in China keinen Sturz der Regierung geben, aber die klischeehafte Vorstellung, die Chinesen wären ein Ameisenvolk, hat erhebliche Probleme, sich auf die in der obigen Graphik sich abbildende Antwort auf die Zustände im Land einen Reim zu machen. Im Gegenteil: Die chinesische Bevölkerung gibt der Regierung die gravierendste Antwort, die denkbar ist und zudem gerade mit Goldmans These kompatibel ist, daß Menschen, wenigstens im gesellschaftlichen Maßstab, einzig als Menschen leben wollen können. Wer auf kürzestem Wege und in videographischer Form einen genaueren Eindruck gewinnen will, dem sei dieses Video, betitelt China’s ‘Last Generation’: 85% Not Marrying, 60% Not Procreating, empfohlen:
Der Zusammenhang zwischen der flächendeckenden und alles penetrierenden Umsetzung des Social Credit Point System – eine Korrelation, die von Kausalität zu unterscheiden, m.E. eine scholastische Verdunkelung darstellt – und der kollabierenden Fertilitätsrate verdient hervorgehoben zu werden, da hier eine Warnung seitens der chinesischen Bevölkerung an alle Politiker ergeht, die glauben, desaströse Politiken wie die multikulturelle durch Überwachung und eine entsprechend restriktive Gängelungspolitik kompensieren oder orchestrieren zu können: So sieht die Antwort aus, niemand will in so etwas leben, solche Politiken – und alle Politiken, die solche Politiken als Antwort auf eine politisch-demographisch verursachte Anarchie nötig machen – sind zum Scheitern verurteilt; sie können nichts erreichen, außer den Willen zum Leben zu töten und sind deshalb eine Sackgasse im allzu existentiellen Sinn. Das heißt auch: Menschenbildsunabhängig, und wenn man vom Konzept der Seele so überzeugt ist wie Elon Musk, empfiehlt es sich, Menschen so zu behandeln, als hätten sie eine Seele, denn eine Gesellschaft wie einen Zoo zu betreiben wird dazu führen, daß früher oder später keine Gesellschaft mehr vorhanden sein wird, weil das Nichtsein dem Unterworfensein unter eine Viehhaltung vorzuziehen ist.
Der Ausstieg aus dem Generationenprozeß ist nicht das einzige Symptom in China, das davon zeugt, daß der rigorose Dirigismus, der Menschen in Maschinerien hineinpreßt und Rechtlosigkeit, Drohungen und Beseitigungen im Übermaß verwendet, um die „Disziplinargesellschaft“ und die „Kontrollgesellschaft“ in einer Drangsalierungsgesellschaft zu überbieten, eine tödliche Sackgasse ist. Ein davon kündendes Symptom ist das sogenannte Tang Ping oder Lying Flat, bei dem es sich um einen schlichten Ausstieg aus der Gesellschaft durch totale Verweigerung gegenüber allen gesellschaftlich anerkannten Integrationsleistungen handelt. Solche Manifestationen von Sinnmangel lassen sich nicht wegsanktionieren, weil die Betroffenen Sanktionen nicht als die Sinnbereicherung empfinden und bewerten werden, die sie erst motivieren könnte, das demonstrative Dahinvegetieren auf ein Leben und Partizipieren an der Gesellschaft hin zu überschreiten. Haben Menschen nichts mehr zu verlieren und jeden Glauben an die Möglichkeit eines sinnvollen Lebens verloren, verkommen Bedrohungen und Sanktionen zu Ohnmachtssymptomen. Im Lying Flat wie im dramatischen Geburtenrückgang zeigt sich, daß eine Drangsalierungs- und Gewaltherrschaft chinesischen Ausmaßes den Willen zum Leben tötet, weil der Wille zum Leben bei Menschen doch noch häufig genug den Willen zum menschlichen Leben meint, der sich an der Bedürfnißstruktur von Kindern ungleich besser studieren läßt als am Verhalten biologisch Erwachsener („doch noch häufig genug“, weil die Selbstaufgabe des Westens ungleich nihilistischer ist als die chinesische und sich nicht mehr nur gegen eine verhältnismäßig (!) einfach korrigierbare Politik wendet, sondern den anti-nationalen Nihilismus globalistischer naturrechtlicher Anti-Eliten spiegelbildlich beantwortet).
Ein weiteres Problem Chinas (wie auch Indiens), über das erstaunlich wenig gesprochen wird und das auch in Goldmans Überlegungen zu China keine große Rolle spielt, ist das, was Mara Hvistendahl in ihrem Buch Unnatural Selection. Choosing Boys over Girls, and the Consequences of a World Full of Men (auf Deutsch erschienen unter Das Verschwinden der Frauen) aufgearbeitet hat: ein katastrophales Geschlechterungleichgewicht, resultierend aus der einer nicht staatlich, sondern innergesellschaftlich auf tradierten axiologischen Grundlagen betriebenen Lebenswertpolitik, die nicht nur Geschlechter, sondern den ungleichen Wert von Geschlechtern kennt und gemäß demselben Entscheidungen darüber trifft, wer das Licht der Welt erblicken soll und wer nicht. Hvistendahls Buch ist bereits 2011 erschienen, die Datenlage, die sie präsentiert, sieht kurz gefaßt so aus: China und Indien, zusammen rund ein Drittel der Weltbevölkerung stellend, haben das „biological upper limit of 106 boys born for every 100 girls“ (Hvistendahl 2011: 5) mittels einer geburtenpolitisch ausgelebten kulturellen Misogynie derart verschoben, daß nun global ein natürlicherweise unmögliches Verhältnis existiert: „Their lopsided birth ratios have already skewed the sex ratios at birth of the entire world, which has risen from 105 to the biologically impossible 107.“ (Ebd.: 6)
Der Blick auf die statistische Verteilung des Geschlechterverhältnisses über die verschiedenen Altersgruppen hinweg zeigt, daß die Dysbalance in den heiratsrelevanten Altersgruppen besonders drastisch ist, wodurch es kein großer Trost ist, daß sich das Gesamtverhältnis bis 2021 von 107:100 auf 104:100 zugunsten der Männer verringert hat. Geschätzt wird, daß im Jahr 2030 nur einer von vier Männern heiraten wird oder heiraten können wird; wie die gesellschaftliche Gesamtsituation sich entwickelt, ist höchst fraglich, wie die Hinweise aus dem vorigen Abschnitt zeigen. Die Fernfolgen dieses Problems sind kaum zu überschätzen und werfen die Frage auf, ob der Staat nicht zu den drastischsten Mitteln zu greifen sich genötigt sehen wird, z.B. indem er versucht, das Problem mit Gewalt oder durch Migration (von Männern ins Ausland) oder gar staatlich implementierten Menschenhandel (um Frauen ins Land zu holen) zu lösen. Vier dramatische Szenarien erscheinen mir nicht gänzlich unrealistisch: (1) Entweder werden „die Überflüssigen“ staatlich beseitigt, wobei es sich bei „den Überflüssigen“ nun ironischerweise um als überschüssig deklarierte Männer handelt (so makaber diese Ironie ist, man hat sie sich wahrlich eingehandelt); (2) Oder unter der Schieflage Leidende wenden ihrerseits Gewalt an, dann vermutlich nicht mehr gezielt gegen dafür verantwortlich erklärte Akteure, sondern gegen eine Gesellschaft, die sie als sinnlos empfinden. (3) Es findet eine Migration von China in andere Länder statt, um anderswo mit Männern um Frauen zu konkurrieren, wo man sich immer noch bessere Chancen ausrechnet als in China. (4) Der Staat organisiert die fehlenden Frauen, indem er sie durch Menschenhandel gezielt in den Heiratsmarkt schleust, wogegen spricht, daß China gerade einen ethnostaatlichen Weg geht, was wiederum zur Folge hätte, daß solche Ehen oder eheähnliche Verbindungen gesellschaftlich ein Stigma darstellen würden.
Damit sind einige dramatische Probleme Chinas skizziert, die Denkschwache oder allzu Voreilige dazu verführen dürften, China vorschnell abzuschreiben. Kaum jemand gibt so viele fundierte Hinweise wie Goldman darauf, daß solche Annahmen von keiner Kenntnis der chinesischen Realität gesättigt sind und eine Unterschätzung darstellen, die denjenigen aufzufressen droht, der sich ihr hingibt. Mehr noch: Goldman hat das geopolitischen Konzept der Chinesen sowie die technologische Entwicklung Chinas in seinem Buch You Will Be Assimilated. China’s Plan to Sino-Form the World aufgearbeitet und die gewonnen Erkenntnisse seitdem in etlichen Artikeln vertieft. Was Goldman Sino-Forming (die wenig elegant klingende Übersetzung wäre schlicht Sinoformung) nennt, könnte, auf eine Formel gebracht, Beherrschung durch funktionale Integration in die intern zielführend globalisierte eigene Ökonomie heißen. Zudem werde ich die demographische Betrachtung einbinden und dabei zu Ergebnissen gelangen, die sich bei Goldman nicht finden, weil seine demographischen Überlegungen einen gravierenden blinden Fleck aufweisen: den Zusammenhang zwischen Demographie und Intelligenzforschung ins Visier zu nehmen.
Literatur:
Garside, Roger (2021): China Coup. The Great Leap to Freedom. Oakland, California: University of California Press.
Goldman, David P. (2011): It’s Not the End of the World, It’s Just the End of You. The Great Extinction of Nations. New York: RVP Publishers.
He Huaihong (2015): Social Ethics in China. Moral Decay or Ethical Awakening? Washington, D.C.: Brookings Institution.
Hvistendahl, Mara (2011): Unnatural Selection. Choosing Boys over Girls, and the Consequences of a World Full of Men. New York: Public Affairs.
Jiwei Ci (2014): Moral China in the Age of Reform. Cambridge: Cambridge University Press.
Jiwei Ci (2019): Democracy in China. The Coming Crisis. Cambridge, MA: Harvard University Press.