von Sebastian Edinger
J.D. Vances Rede auf der Münchener Sicherheitskonferenz hat in Deutschland für Begeisterung und Entsetzen gesorgt. Die einen waren entsetzt darüber, daß Vance sich erdreistet hat, die klassische westliche Wertewelt durch das Bekenntnis z.B. zur Meinungsfreiheit zu repräsentieren, während andere ihm genau dafür applaudierten. Einige waren verbittert darüber, daß er die Sowjetisierung Westeuropas angegriffen hat, Mitte-Rechts war ihm gerade dafür dankbar. Vor allem aber ist vielen aufgefallen, daß Vance intellektuell von einem gänzlich anderen Kaliber ist als jeder einzelne Politiker des deutschen Establishments, und genau darüber - und über sonst nichts, ich werde seine Lebensgeschichte nicht nacherzählen - gibt es mehr zu sagen, als bisher darüber gesagt worden ist.
Was hat es mit Vances Bildungsbiographie eigentlich auf sich? Trotz seiner Autobiographie kennen wir die Ergebnisse in den USA zentraler kognitiver Tests wie des AFQT (Armed Forces Qualification Test; kognitiver Test im Militär) und des LSAT (Law School Admission Test; kognitiver Test für angehende Juristen) nicht, doch obwohl wir nichts genaues wissen, können wir aufgrund vorhandener Daten ein recht genaues Bild seiner kognitiven Leistungsfähigkeit und seines Rangs innerhalb der kognitiven Stratifikation erstellen.
Zunächst ist wichtig: Das Thema Meritokratie ist in den letzten Jahren in den USA heiß diskutiert worden, wobei gerade (aber nicht nur) aus den Ivy-League-Hochburgen Harvard und Yale scharfe Angriffe auf die bloß vermeintliche Meritokratie in den USA in Buchform vorgelegt wurden. Zu nennen sind vor allem Michael Sandels (Harvard) Buch The Tyranny of Merit und Daniel Markovits' (Yale) Buch The Meritocracy Trap. Ich werde im folgenden Daten aus letzterem Buch zitieren, und vermutlich hat Vance Veranstaltungen bei Markovits besucht, erwähnt ihn aber (im Unterschied zu Amy Chua) in seinem Buch nicht.
J.D. Vance verkörpert einen Aufstieg aus ärmlichsten Verhältnissen ins Zentrum der Macht – einen Aufstieg also, dessen annähernde Unmöglichkeit Sandel und Markovits beklagen. In gewisser Weise könnte man sagen, daß hier der American Dream noch einmal auflebt in einem Land (Vance: "I want people to understand the American Dream as my family and I encountered it."; Vance 2016: 2), das sich von ihm weitestgehend verabschiedet hat. Mit Blick auf die Daten, die ich anführen werde, ist das für deutsche Beobachter besonders wichtig, weil an Vances Werdegang alle sozialdemokratischen Erklärungsmuster abprallen: Geld war keins da, eine solide oder überhaupt nur intakte Familienstruktur fehlte, er war weder auf der Hunter College High School in Manhattan Thomas Jefferson High School for Mathematics and Science in Arlington, Virginia, d.h. er war im wesentlich auf sein angeborenes Vermögen und seine Disziplin zurückgeworfen. Für das, was der sozialdemokratischen Ideologie zufolge der Erfolgsgarant ist und immer von außen Kommendes und Individuen planmäßig Bearbeitendes (gute Schulen, gute Lehrer, elterliches Bildungskapital und Vermögen etc.) und Pamperndes meint, mußte Vance selbst aus eigenen naturgegebenen Mitteln kompensatorisch aufkommen: "My grandparents, neither of whom graduated from high school, raised me, and few members of even my extended family attended college." (Vance 2016: 2) Kommen wir nun zu den Daten, die uns Aufschluß über seinen mutmaßlichen IQ geben, über das neben der Zielstrebigkeit wesentlich Ausschlaggebende, das weitgehend illiterate Mittelmäßige zum irrelevanten Konstrukt verharmlosen und aus ihrer La-La-Land-Phantasiewelt verbannen wollen.
Im wesentlichen führen drei Wege zur Yale University: GPA- und SAT-Ergebnisse (der GPA entspricht dem Abiturschnitt, der SAT ist ein gesonderter kognitiver Test, der sehr stark mit IQ-Tests korreliert), eine sogenannte "Legacy Admission" (Vermächtniszulassung, z.B. als Kind eines Yale-Alumnus oder mehrerer Yale-Alumni) oder DEI-Zulassungen jeglicher Art, wozu ich auch die athletischen zähle (was gängigerweise nicht getan wird).
Für die genannten SAT-Ergebnisse gilt als statistische Leitlinie, was die Erwartungshaltungen seitens der Bewerber angeht:
"The median SAT scores among students at Harvard, Princeton, Stanford, and Yale now all lie above the 95th percentile, and perhaps a quarter of the students have SATs above the 99th percentile." (Markovits 2019: 114)
Viele Bewerber mit Vances sozioökonomischen Ausgangsbedingungen sind dabei allerdings nicht im Rennen, denn:
"Only about one in two hundred children from the poorest third of households achieves SAT scores at Yale’s mean." (Ebd.: 26)
Betonung: Sie erreichen den nötigen SAT-Wert, das bedeutet jedoch nicht, daß sie deshalb bereits zugelassen werden. Vance ist also in der Hinsicht so sehr ein Außenseiter, wie man es an einer solchen Uni nur sein kann. Doch die Ergebnisse und die Zulassungsdaten entsprechen einander – jedenfalls an der Yale Law School, an der Vance war – denn "less than 3 percent of Yale Law students grew up in or near poverty“ (ebd.: 144). Umgekehrt ist es so, daß „more students come from households in the top 1 percent of the income distribution, than the entire bottom half“ (ebd.: 25). Das oberste 1% der Einkommensverteilung verfügt in den USA aktuell über ein Einkommen von mindestens 700 000 Dollar.
Aber konkret zu den kognitiven Testergebnissen, die dadurch um so größeres Gewicht erlangen, als sie praktisch Vances einziger möglicher Weg an die Yale University bzw. an die Yale Law School insbesondere waren, denn die Yale Law School ist eine der „Big Four“ und selbst unter den selektiven Schulen nochmals besonders hart im Auswählen, wenn und soweit es um die LSAT-Ergebnisse geht (d.h. auch: solange kein DEI-Idiotenkarneval stattfindet). Das Durchschnittsergebnis beim LSAT beträgt an der Harvard Law School 174 von möglichen 180 Punkten, an der Yale Law School durchschnittlich bei 178 (!) von (logischerweise ebenfalls) möglichen 180 Punkten. Die Akzeptanzrate an der Harvard Law School liegt bei über 10,1 %, die der Yale Law School bei 5,7 %.
Zu bedenken ist hier, daß der LSAT von den an Universitäten gebräuchlichen Tests (z.B. SAT, ACT) der einzige ist, aber auch von Mensa als vollwertiges IQ-Test-Äquivalent und als Eingangstest anerkannt wird. Als Wert wird hier das 95. Perzentil, also ein Ergebnis von rund 168 angegeben, sagen wir sicherheitshalber 170. An der Harvard und Yale Law School wären demzufolge zum Großteil Hochbegabte, und in Vances Fall muß man erst recht davon ausgehen, daß sein LSAT-Ergebnis besonders hoch ausgefallen ist. Markovits’ Daten geben Anlaß dazu, ihn im letzten Prozent zu verorten:
„The median student at Yale Law School, for example, earned effectively straight As in college (for a 3.9 GPA) and scored above the 99th percentile on the LSAT.“ (Ebd.: 142; meine Hervorhebung)
In Anbetracht dessen, daß Vance - abgesehen von seiner erfolgreichen Zeit im US-Militär (ob die über Kontakte oder weitergeleitete Daten, z.B. des AFQT, einen Einfluß auf Entscheidungen der Yale University hatte, muß reine Spekulation bleiben) - keine „sekundären Faktoren“ im Rücken hat und auf ein Vollstipendium angewiesen gewesen sein muß, darf man mit guten Gründen spekulieren, daß „above the 99th percentile“ durchaus bedeuten könnte, daß er kognitiv ins letzte halbe Prozent (1 von 200 oder mehr) fällt. Gehen wir davon aus, daß er genau auf der Grenze des 99. Perzentils liegt, würde sein IQ – bei der Übertragung des perzentilbasierten Z-Score aus den SAT-Ergebnissen auf die IQ-Verteilung – bei 135 liegen. Setzen wir seinen Wert bei den besten 0,5 % an, kommen wir bei 139 heraus.
Auf der Grundlage solcher Daten haben wir allen Grund, davon auszugehen, daß Vances Testergebnisse eher in den oberen als in unteren Bereich der Top 1% fallen. Er würde damit im IQ-Bereich von 136 bis 142 zu verorten sein.
Wer glaubt, daß unter den Vorzeige-“Hochqualifizerten“ der aktuellen deutschen Polit“elite“ jemand unter solchen Ausgangsbedingungen seinen Weg in die Yale Law School finden könnte, der glaubt entweder, daß der IQ ein bloßes Konstrukt ist oder daß Mario Balotelli tatsächlich einen IQ von 147 hat oder haben könnte. Denjenigen, die beim IQ an ein “bloßes Konstrukt” glauben, wünsche ich damit viel Spaß:
Quelle: Warne 2020: 210.
Zitierte Literatur:
Markovits, D. (2019). The Meritocracy Trap: How America's Foundational Myth Feeds Inequality, Dismantles the Middle Class, and Devours the Elite. New York: Penguin Press.
Vance, J. D. (2016). Hillbilly Elegy: A Memoir of a Family and Culture in Crisis. New York: Harper Academic.
Warne, R. T. (2020). In the Know. Debunking 35 Myths about Human Intelligence. Cambridge: Cambridge University Press.